SWR Aktuell mit Vanja Weingart, guten Abend. Briefwahlstimmen und angedrohte Klagen - die US-Präsidentenwahl ist noch nicht entschieden. Corona-Notstand in Belgien. Unser Kollege aus Brüssel berichtet, wie hart die Pandemie das Land trifft. Und die deutschen Sicherheitsbehörden sind hellwach, sagt Innenminister Seehofer heute im Bundestag nach dem Terroranschlag von Wien. Das sind drei der Themen bis halb sieben hier in SWR2 Aktuell. Und sie zählen und zählen Wählerstimmen in den USA. In einigen Bundestaaten scheint es sehr knapp zu werden. Weder Joe Biden noch Donald Trump haben die 270 Wahlleute beisammen, die man zum Sieg braucht. USA-Korrespondent Arthur Landwehr in Washington, geben Sie uns einen Überblick. Wo wird noch gezählt ?
Also das sind noch fünf Staaten, Nevada, Arizona, Pennsylvania, North Carolina und Georgia. Die ersten beiden, also Nevada und Arizona, da führt Joe Biden sehr, sehr knapp und Nevada soll jetzt in den nächsten Minuten, sollen neue Ergebnisse kommen. Wenn Joe Biden diese beiden Staaten behält, dann hätte er genau diese berühmten 270 Wahlleute auf seiner Seite und wäre dann zunächst einmal gewählter Präsident. Dann haben wir Pennsylvania, da sieht es, da führt Donald Trump knapp, aber es sind auch noch so ungefähr 500'000 Stimmen auszuzählen und da geht man davon aus, dass da noch etliche für Joe Biden dabei sein könnten. Er bräuchte dort etwa zwei Drittel der verbliebenen Stimmen. Dann hätte er auch die auf seiner Seite, also das kann sich dort aber noch hinziehen. Da gehen wir davon aus noch mindestens etliche Stunden, vielleicht sogar morgen früh.
Kleine Tendenz Richtung Joe Biden könnte man vielleicht im Moment sagen, aber keiner wagt ja irgendwelche Vorhersagen im Moment. Trump hat aber klar gesagt, er will klagen gegen die Auszählung der Briefwahl in verschiedenen Staaten und wegen angeblichen Wahlbetrugs. Welche von seinen Drohungen hat er denn jetzt wahr gemacht ?
Also er hat versucht, in einigen Stellen das Zählen von Briefwahlunterlagen zu unterbinden. Bisher hat aber kein Gericht dem zugestimmt, sondern das wurde bisher immer abgelehnt. Es gibt eine neue Klage, die in Nevada eingereicht wird. Auch da geht es um diese Briefwahlstimmen. Überall laufen diese Klagen. Womit er erfolgreich war und das ist auch ganz im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten, es wird nachgezählt, unter anderem in Wisconsin, wahrscheinlich aber auch noch in weiteren Staaten. Dieses Nachzählen ist zugelassen, wenn der Abstand weniger als ein Prozent ist, ein Prozentpunkt und das ist in Wisconsin der Fall, das sind es ganze 0.6 Prozent. In Nevada gehen wir davon aus, egal wie es ausgeht, wird es am Ende auch nachgezählt werden. Da ist der Abstand noch viel, viel kleiner und das Ganze verzögert natürlich diesen Prozess.
Und das heisst, selbst wenn jetzt neue Staaten sogar auf Bidens Seite kämen, nachgezählt wird in jedem Fall und das heisst, es dauert.
Das heisst, es dauert, und es kann natürlich darüber hinaus auch noch der Fall sein, dass dann Ergebnisse in einzelnen Bundesstaaten grundsätzlich angezweifelt werden und dass es Klagen gegen diese Ergebnisse gibt. Dann müssen Gerichte klären, ob alles mit rechten Dingen zugegangen ist oder ob da noch mal etwas überprüft werden muss, zum Beispiel Unterschriften bei den Briefwahlunterlagen, solche Dinge. Das kann alles noch hochkommen. Wenn man sich erinnert an das Jahr 2000, damals Gore gegen George W. Bush, da hat es viele Wochen gedauert.
In Arizona, wo ja auch noch gezählt wird, da gab es Proteste von Trump-Anhängern mit Waffe in der Hand. Ist das, ich sag' jetzt mal im Waffenland USA, noch normal oder wird die Stimmung immer gefährlicher, je länger auch das Auszählen dauert.
Also die Stimmung ist gereizt, aber auch die Proteste, die es gestern Abend hier gab, vor allen Dingen vor diesen Hallen, in denen ausgezählt wird, die waren ja gereizt, aber auch auf der anderen Seite friedlich. Dass Leute Waffen in der Hand haben, das erlebt man in so Staaten wie Arizona, wo das offene Tragen von Waffen ja erlaubt ist, auch dass, wenn man im Hotel ist, morgens zum Frühstück geht, dass jemand mit einer Pistole im Halfter zum Frühstück kommt. Ich will nicht sagen, dass, also für unsere Augen ist es nicht wirklich normal und es ist ein bisschen ungewöhnlich, aber da ist es nichts, was jemandem wirklich besonders auffällt oder was die Situation extrem gefährlich macht, aber klar, sobald Waffen im Spiel sind, weiss man nie, was passiert.
Wie warten jetzt die US-Bürger auf das Ergebnis ? Vor dem Fernseher oder geht alles so seinen relativ normalen Gang ?
Also das ist natürlich das Thema, über das hier gesprochen wird. Das überlagert sogar die Pandemie. Das interessiert tatsächlich jeden, auf der anderen Seite ist auch ein ganzes Stück wieder Alltag eingekehrt. Die Demonstrationen hier in der Stadt, in Washington vor dem Weissen Haus finden wieder statt. Sie sind aber klein geworden. Man wartet jetzt einfach ab und man kennt es, weiss, dass es am Ende nichts nützt, wenn man jetzt ungeduldig wird, sondern muss abwarten, und die meisten gehen einfach wieder zur Arbeit.
USA-Korrespondent Arthur Landwehr live aus Washington. Also noch kein Ergebnis der US-Wahlen. Wir halten Sie auf dem Laufenden. Seit dieser Woche gilt in ganz Deutschland der sogenannte Teil-Lockdown. Schulen, Büros, Firmen, Geschäfte bleiben offen, Restaurants, Sportstudios und Theater sind geschlossen. Die Corona-Neuinfektionen steigen jetzt auf fast 20'000 an einem Tag. Wie kommen die Deutschen klar mit der neuen Situation, ohne Sport im Verein, ohne Kino, Theater- und Kaffeebesuch ? Das hat der ARD-Deutschlandtrend gefragt. Die Einzelheiten von Ellen Ehni.
Seit Montag sind die neuen Beschränkungen in Kraft, die Bund und Länder zur Eindämmung der Corona-Pandemie vereinbart hatten. Und die Mehrheit der Bürger befürwortet das. 56 Prozent halten die neuen Auflagen grundsätzlich für angemessen. 16 Prozent sind sogar der Ansicht, diese gingen nicht weit genug. 24 Prozent der Befragten sagen hingegen, die neuen Auflagen gingen zu weit. Das hat eine Umfrage von Infratest dimap für den ARD-Deutschlandtrend extra ergeben. Wenn man sich die Massnahmen im Einzelnen anschaut, ergibt sich ein differenziertes Bild. Eine deutliche Mehrheit befürwortet die Kontaktbegrenzung auf zwei Haushalte, beziehungsweise maximal zehn Personen, und die Schliessung von Bars und Kneipen. Die erneute Schliessung von Restaurants lehnen 57 Prozent der Bürger jedoch ab. Bei der Schliessung von Theatern und Kinos sowie beim Verbot von Amateur- und Freizeitsport halten sich Zustimmung und Ablehnung die Waage. Insgesamt hofft die Mehrheit auf eine zeitliche Befristung. 6 von 10 Deutschen wünschen sich, dass die Beschränkungen zu Weihnachten wieder gelockert werden.
Alle Zahlen aus dem Deutschlandtrend gibt es heute Abend in den ARD-Tagesthemen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schaut besorgt auf die aktuelle Corona-Entwicklung in Europa. Der WHO-Regionaldirektor für Europa Hans Kluge sprach von einer Explosion der Neuinfektionen. Besonders betroffen ist Belgien. Über 12'000 Tote bei nur 11 Millionen Einwohnern. Das Land bekommt die Krise nicht in den Griff. Die Krankenhäuser sind voll und es gibt nicht genug Betten für Intensivpatienten. Einige Patienten sind ja auch schon nach Deutschland gebracht worden. Seit Montag herrscht in Belgien ein verschärfter Lockdown mit geschlossenen Geschäften, Home-Office-Pflicht und Ausgangssperren nachts. Zumindest gibt es aber einen kleinen Lichtblick, berichtet Belgien-Korrespondent Jakob Mayr.
Die Massnahmen zeigen möglicherweise erste Wirkung. Zum ersten Mal seit knapp zwei Monaten ist die Zahl der Covid-19-Patienten in den Krankenhäusern leicht zurückgegangen um 1 Prozent auf jetzt 7'405 Patienten. Ausserdem ist die Zahl der bestätigten Neuinfektionen geringfügig gesunken. In der vergangenen Woche wurden täglich im Durchschnitt 14'092 Fälle gemeldet, 6 Prozent weniger als in der Vorwoche. Vorsichtiges Aufatmen beim Sprecher des nationalen Krisenzentrums Yves Van Laethem. "Glücklicherweise scheint sich diese positive Tendenz zu bestätigen. Die Zahl der Infektionsfälle stabilisiert sich. Die Zahl der Einweisungen ins Krankenhaus steigt noch, aber nicht mehr so schnell. Darauf haben wir gewartet und das freut alle." Aber zu früh freuen sollte sich niemand. Die Infektionszahlen liegen im EU-Vergleich weiter an der Spitze. Belgien hat nur ein Siebtel der Einwohner Deutschlands und trotzdem mehr Corona-Tote zu beklagen, 12'331. Die Zahl der Patienten, die wegen Covid-19 auf der Intensivstation behandelt werden müssen, die steigt weiter. Derzeit sind 1'412 Betten belegt. Die Auslastungsgrenze liegt bei 2'000. Und viele Pflegekräfte sind erschöpft. Manche müssen Doppelschichten schieben. Vereinzelt mussten sogar selbst Corona-positiv getestete Ärzte und Pfleger arbeiten, wenn sie keine Symptome zeigten, zu wenig Personal. Es waren gerade Mediziner, die von der Politik endlich schärfere Massnahmen forderten und die an die Bevölkerung appellierten, diese Regeln auch einzuhalten, so wie vergangene Woche Elisabeth De Vaele, Intensivärztin am Universitätskrankenhaus Brüssel. "Immer mehr Kinder auf der Intensivstation wegen Covid-19, aber wie viele Kinder müssen denn sterben, bis man wirklich sieht, was hier passiert ? Das macht mich wirklich traurig." Seit Anfang der Woche herrscht landesweit ein verschärfter Lockdown. Home-Office ist Pflicht, nur ein einziger Knüffelkontakt ist erlaubt, so der flämische Begriff, also ein enger Kontakt ausserhalb des eigenen Haushalts. Belgiens Regierungschef Alexander de Croo: "Ich bin mir bewusst, dass es sich um besonders drastische, besonders schmerzhafte Massnahmen handelt, aber sie sind das Ergebnis lang andauernder Überlegungen auf der Grundlage von Fakten und Zahlen. Diese Massnahmen sind unsere letzte Chance." Aber diese Massnahmen für ganz Belgien kamen zu spät, kritisieren Fachleute, unter anderem, weil sich Politiker der verschiedenen staatlichen Ebenen lange nicht einigen konnten. Ausserdem seien die Strategien zur Vorbeugung unwirksam gewesen. Jetzt hofft Belgien auf seine letzte Chance. Jakob Mayr, Brüssel.
(Weitere Themen zum Selbsthören: Rechtsstaatlichkeit in der EU: mit Nachdruck gegen Abweichler / Ermittlungsstand zu Terroranschlag in Wien / Debatte im Bundestag zu Terroranschlag in Wien / Deutsche Staatshilfen an Kirchen)